Inklusion im Referendariat – Was sagt eine Referendarin

Inklusion-Referendariat
Mein Name ist Anne Neuburger, ich habe in Marburg die Fächer Deutsch, Englisch und Deutsch als Fremdsprache für das Gymnasium an deutschen Schulen studiert und seit November 2015 bin ich Referendarin an einem Gelsenkirchener Gymnasium.
Warum ich Lehrerin werden wollte?

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Zunächst war es nur ein gutgemeinter Rat meiner Mutter, doch nach 5 Jahren Studium, einiger Praktika an Schulen und Volontariaten bei gemeinnützigen Organisationen weiß ich, dass Lehrerin sein genau „mein Ding“ ist. Ich fühle mich wohl vor der Klasse zu stehen, arbeite viel und konzentriere mich auf meine berufliche Zukunft. Dass das Referendariat kein Zuckerschlecken wird, wusste ich vor Beginn meiner 18-monatigen Ausbildung.

Inklusion / Referendariat an deutschen Schulen – ein unbedachtes UN-Projekt?

Eine ganz besondere Herausforderung ist dabei die Arbeit in einer Inklusionsklasse, welcher ich mich im letzten Halbjahr gestellt habe.
Mittwochmorgen, 8.45 Uhr, Englischunterricht: während 32 Schülerinnen und Schüler der Klasse 5c schreiben, hocke ich vor dem Tisch von Timo und mache Pferdegeräusche nach. Nichts Außergewöhnliches, wenn wir zum Beispiel gerade im Unterricht verschiedene Tiernamen im Englischen üben würden – aber alle Anderen sind mit einer Grammatikaufgabe beschäftigt.

Nur Timo, er braucht wieder etwas mehr Hilfe. Timo ist einer der drei Inklusionsschüler der Klasse 5c, die ich im Rahmen meines selbstständigen Unterrichts in Englisch unterrichte.
Timo versteht den Satz „This is a horse.“ (dt. „Das ist ein Pferd.“) nicht, denn Timo kann mir nicht mal sagen, wie er heißt und wann er geboren wurde. Für mich als Referendarin ist Timo eine besondere Herausforderung. Nicht, weil ich ihn nicht mag, er ist ein schlaues Kerlchen und oftmals mit Feuereifer am Unterrichtsgeschehen beteiligt, aber es ist schwierig im Rahmen des normalen Unterrichts auf seine besonderen Bedürfnisse einzugehen.
Und dann sind da noch zwei weitere Schülerinnen, die meiner besonderen Aufmerksamkeit bedürfen und „nebenbei“ läuft der normale Unterricht weiter.

Werde ich so meiner Aufgabe und Pflicht als Lehrerin gerecht?

Es ist leider nicht untertrieben, wenn ich sage, dass ich auf eine solche Aufgabe schlichtweg null vorbereitet war. Studiert habe ich in Hessen und bin für mein Referendariat nach Nordrhein-Westfalen gezogen. Ich hatte eine gute Ausbildung. Zwar gab es an meiner Universität noch kein verpflichtendes Praxissemester, aber ich habe mehrere Praktika an verschiedenen Schulen absolviert, ein halbes Jahr davon sogar an einer Schule in Finnland. Während meines Studiums habe ich viele Seminare besucht, die mich in meinen Fächern Englisch und Deutsch praxisorientiert ausgebildet haben. Natürlich war ich nach den fünf Jahren Regelstudienzeit keine fertige Lehrerin, bis dahin ist es noch ein weiter Weg, aber ich fühlte mich bereit für die „Aufgabe Schule“. Ich war motiviert endlich zu beginnen, endlich das machen zu dürfen, auf das ich mich fünf Jahre gefreut und vorbereitet hatte. Und dann werde ich einer „Inklusionsklasse“ zugeteilt, sozusagen ins kalte Wasser geschubst.

Ich hatte schon zuvor von unterschiedlichen Inklusionsmodellen gehört aber in Kontakt war ich damit selbst noch nie gekommen. Nun stehe ich also vier Stunden die Woche vor dieser Klasse, beinahe täglich schauen mich 66 Augen aus den Köpfen 33 neugieriger und motivierter Schülerinnen und Schüler an und nicht selten ereilen mich Zweifel: Weiß ich genug, um ALLEN Kindern während des Unterrichts gerecht zu werden? Übersehe ich vielleicht Förderungsbedarf bei Einzelnen, vielleicht auch bei Regelschülern?
Und vor allem:

  • Was hat sich die UN bei dem „Hauruck-Versuch“ der Inklusion von Kindern in Regelschulen gedacht?
  • Hat sie überhaupt gedacht?

Denn guter Wille hin oder her, durch die „Anerkennung des Rechts behinderter Menschen auf Bildung“ (UN) wurde dem bestehenden deutschen Schulsystem ein Konzept übergestülpt, das es nun zu verwirklichen gibt, für das aber die ausgebildeten Fachkräfte und LehrerInnen fehlen.

Seit dem Jahr 2008 gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, dass kein Kind mehr von einer Regelschule ausgeschlossen werden darf. Seitdem ist das Thema „Inklusion“ in den Vordergrund gerückt, immer wieder greifen Medien, wie zum Beispiel der Spiegel und die Zeit, das Thema in zahlreichen Artikeln auf. Dort wird unter anderem von Erfolgsmodellen, Beispielschulen und Einzelschicksalen der Inklusion berichtet – sehr löblich- doch leider, wie die Bertelsmann Stiftung 2015 herausfand, eher die Ausnahme als die Norm. Demnach seien es vor allem die Grundschulen, die den Trend der Inklusion aufgreifen und erfolgsversprechend handhaben.

In weiterführenden Schulen zeige sich dann wieder eine deutlichere Trennung von Schülern mit und ohne Handicap. Dabei betrachtet die Studie nicht nur die unterschiedlichen Schulformen, sondern merkt auch an, dass es vor allem die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schulen sind, die in den kommenden Jahren noch stärker gefördert werden müssen, damit sie dem besonderen Bedarf der Förderschüler nachkommen können. Und hier kommt nun wieder meine, zugegeben noch relativ geringe, Erfahrung mit Förderkindern ins Spiel. Denn es sind eben die jungen Lehrerinnen und Lehrer, die sich teilweise noch in ihrer universitären Ausbildung oder am Anfang ihrer Berufskarriere befinden, die es gilt zu unterstützen.

Das fängt mit den Lehrmitteln an, reicht über spezielles Förderpersonal (ich befinde mich in der glücklichen Lage, dass wir an unserer Schule eine Förderkehrkraft für die 7 Förderschüler der Klassen 5 und 6 zur Verfügung haben und zudem eine weitere Lehrerin dem Unterricht beiwohnte, mir Tipps bei der Unterrichtsvorbereitung gab und mir auch während der Stunden unterstützend zur Seite stand), bis hin zu einer qualitativ umfangreichen Ausbildung. Dazu gehört es auch, dass eben diese Lehrerinnen und Lehrer nicht einfach ins kalte Wasser geschubst werden und immer wieder zu hören bekommen „Sie machen das schon.“ oder „Eigentlich können Sie gar nichts falsch machen.

“ Denn was passiert, wenn ich gerade doch etwas dadurch falsch mache, dass ich während einer Grammatikeinheit vor Toni hocke und ihm Pferdegeräusche vormache, obwohl vielleicht auch ein anderer Regelschüler meiner Aufmerksamkeit benötigt? Was passiert, wenn meine positive Einstellung gegenüber der Inklusion an deutschen Schulen im Meer der Gegner und Kritiker untergeht?

Inklusion ist ein langwieriger Prozess, der von der Politik mehr unterstützt werden muss und zwar, indem Gelder in die Hand genommen und investiert werden: in unsere Schulen, unsere Kinder und unsere Zukunft. Und solange das noch nicht ausreichen passiert ist, werde ich weiterhin Tiergeräusche machen, jedes Arbeitsblatt für meine Inklusionsschüler passgenau umgestalten und jede Klassenarbeit zwei Mal konzipieren. Und ich bin stolz auf jeden Fortschritt, den alle Schülerinnen und Schüler meiner Klasse machen.

Dieses Buch hilft mir in meiner täglichen Arbeit an der Schule.
Erfahrungen und praktische Unterrichtsbeispiele aus dem Schulalltag einer inklusiven Gesamtschule (Provisions-Link)

LehramtReferendariat.de Fazit

Inklusion ist kein einfaches Konzept, zumindest kein einfach zu etablierendes Konzept. Und trotzdem kenne ich viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die sich tagtäglich um das Wohlbefinden aller Schülerinnen und Schüler ihrer Klassen kümmern – mit und ohne Handicap. Es ist Zeit, dass die Politik realisiert, dass diese Lehrerinnen und Lehrer jedoch mehr unterstützt werden müssen, damit sie ihre Arbeit auch weiterhin erfolgreich ausführen können. Dazu bedarf es jedoch mehr als nur Gutwillen und hohler Floskeln der Bildungsminister. Dazu bedarf es einer engeren Zusammenarbeit aller Involvierten.

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